In unserer Blogreihe Auf den Punkt gebracht vermitteln wir komplexe Inhalte durch einfache Fragen an Mitarbeitende des öffentlichen Dienstes.

Praxistipps: Vergabe für EU-Förderprojekte

Weiterbildungen sind thematisch nicht aus der Luft gegriffen, sondern spiegeln echte Bedürfnisse des öffentlichen Dienstes wider. Zum Thema Vergabe EU-geförderter Projekte haben wir unseren herausragenden Experten Herrn Christian Debach (ehemaligen Leiter der Prüfbehörde im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft, Baden-Württemberg) einige aktuelle Praxistipps entlocken können:

Was sind die drei wesentlichen Neuerungen des Vergaberechts, die die öffentlichen Auftraggeber beachten sollten?

In Deutschland wurden bedeutende Fortschritte bei der Optimierung von Vergabeverfahren erzielt. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Prozesse effizienter, einfacher und flexibler zu gestalten, was unter anderem durch verkürzte Fristen erreicht wird. Ein weiterer entscheidender Schritt ist die verbindliche Einbindung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in die öffentliche Auftragsvergabe gemäß § 97 Absatz 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) – eine Vorschrift, die mittelständische Interessen stärkt.

Diese Neuerungen eröffnen die Möglichkeit, die öffentliche Auftragsvergabe gezielter zur Förderung strategischer Ziele einzusetzen. Insbesondere können nun soziale, umweltbezogene und innovative Aspekte in den Vergabeprozess integriert werden, wie es in § 97 Absatz 3 des GWB vorgesehen ist. Dadurch wird die Beschaffung öffentlicher Aufträge zu einem Instrument, das nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche und ökologische Belange berücksichtigt und fördert.

Welche Herausforderungen ergeben sich hieraus?

Die öffentlichen Auftraggeber sollten die kürzeren Fristen für die Vergabe, aber auch für die Durchführung von Teilnahmewettbewerben nicht dazu nutzen, den Wettbewerb einzuschränken, indem etwa nur ortsnahe Bewerber zur Abgabe bspw. eines Angebots aufgefordert werden.

Die verkürzten Fristen sollen dazu dienen, die Verfahren zu beschleunigen, ohne dabei die Qualität der Abläufe zu beeinträchtigen. Es ist von entscheidender Bedeutung, sicherzustellen, dass die Kürzung der Fristen nicht dazu führt, dass Preise unzureichend ermittelt werden oder dass vermehrt Nachträge und Zusatzanträge erforderlich werden.

Was sind Ihre 3 Top-Tipps zum Umgang mit diesen Herausforderungen?

Es ist von essenzieller Bedeutung, dass die Personen, die mit Vergabeverfahren betraut sind, sich kontinuierlich fortbilden, um stets auf dem aktuellen Wissensstand zu bleiben. Nur so können sie effektiv und effizient arbeiten und sicherstellen, dass die Verfahren fair und transparent ablaufen.

Der Bekämpfung der vorhandenen Korruptionsgefahr muss entschieden entgegengetreten werden. Dies geschieht unter anderem durch eine kontinuierliche Qualifikation der Beteiligten, eine angemessene Besoldung, die Anreize für Integrität schafft sowie eine sachgerechte Personalfluktuation, um mögliche Interessenkonflikte zu minimieren.

Wettbewerb darf nicht auf eine kleine Region beschränkt bleiben, sondern muss weit gefasst werden, um eine Vielzahl von Anbietern einzubeziehen. Die Sicherstellung von Wettbewerb und Transparenz ist von grundlegender Bedeutung und sollte durch angemessene Dokumentation untermauert werden, um eine faire und offene Vergabepraxis zu gewährleisten.

Wir bedanken uns vielmals für das Kurzinterview, Herr Debach.

Lust auf mehr? Hier entlang geht es zur Weiterbildung Effektive Vergabestrategien für EU-Förderprojekte

Christian Debach ist ehemaliger Leiter der Prüfbehörde in Baden-Württemberg. 1997 wurde die EU-Finanzkontrolle auf nationaler Ebene eingeführt und Christian Debach baute diese u.a. für die Bereiche EFRE, ESF, Leader, Interreg und Forschung auf und leitete sie auch. Auf Anraten des Europäischen Rechnungshofes wechselte er im Jahr 1997 mit der BS und der Prüfbehörde ins Finanzministerium (FM). Ziel dabei war, weiterhin eine unabhängige Prüfung sicherzustellen – der operative Teil der Agrarförderung, die Zahlstelle, sowie die VB und die BB für den Strukturförderbereich verblieben im MLR.