Prüfungsrecht im öffentlichen Dienst
Prüfungsrecht im öffentlichen Dienst
Mit Dr. iur. Carsten Morgenroth
Justiziar und Vertreter der Kanzlerin, Ernst-Abbe-Hochschule Jena
In unserer Blogreihe Auf den Punkt gebracht vermitteln wir komplexe Inhalte durch einfache Fragen an Mitarbeitende des öffentlichen Dienstes.
Das Prüfungsrecht ist eine wichtige Aufgabe für Universitäten und Hochschulen. Vor der Fortbildung zum Prüfungsrecht an Universitäten und Hochschulen (28.-29. November 2024, digital) konnte inn:öv mit Herrn Dr. iur. Carsten Morgenroth von der Ernst-Abbe-Hochschule Jena zu diesem wichtigen Thema sprechen.
Was sind die drei größten Herausforderungen für das Prüfungsrecht an deutschen Hochschulen?
Die erste Herausforderung ist, das Prüfungsrecht überhaupt zu kennen. Landesgesetze, Hochschulsatzungen und Gerichtsurteile variieren teilweise erheblich, Änderungen sind durch das Gebot der ständigen Studienreform, Akkreditierungen oder gesellschaftliche Entwicklungen wie Digitalisierung, Internationalisierung oder KI häufig. Hinzu kommt die notwendige Kenntnis der verwaltungsrechtlichen Fragestellungen in Verbindung mit Prüfungen, also etwa rechtssichere elektronische Kommunikation oder Bekanntgabe von Prüfungsnoten. Die vielen mit Prüfungen beschäftigten Personen in einer Hochschule oder Universität stets auf einem belastbaren Wissensniveau zu halten, erledigt sich nicht von alleine.
Die zweite Herausforderung besteht in der Anwendung dieses Wissens. Sind genügend Personal- bzw. Sachressourcen für eine rechtssichere Handhabe vorhanden, z.B. für eigene Prüfungsräume als Form des Nachteilsausgleichs? Bestehen gewisse interne Traditionen, die vom Recht abweichen („Das haben wir schon immer so gemacht.“)? Ist die eigene Prüfungsordnung allen Prüfenden, Lehrbeauftragten oder Betreuenden von Praxiszeiten oder Abschlussarbeiten bekannt? Gibt es ein effizientes Monitoring-System, wie das Recht angewendet wird? Und wenn man merkt, dass man aus guten Gründen den rechtlichen Rahmen veranlassen und in ein gewisses rechtliches Risiko gehen möchte: ist dies mit allen relevanten Beteiligten, insbesondere den Entscheidern, abgestimmt? Dies scheinen Fragen zu sein, die nicht alle Hochschulen sofort zufriedenstellend für sich abhaken können.
Die dritte Herausforderung ist die effektive Weiterentwicklung des eigenen Rechts. Reaktiv sind höherrangige Gesetze, etwa Landeshochschulgesetze oder Corona-Sonderregelungen, ins Hochschulinnenrecht zu integrieren. Proaktiv kann das Prüfungsrecht – ebenso wie die Lehre – durch die Hochschulen nach ihrem eigenen Gestaltungswillen in nahezu grenzenloser Form weiterentwickelt, etwa um digitale Elemente oder KI, angereichert werden. Eine natürliche Grenze sollte jedoch das Erfordernis bilden, Änderungen der Prüfungsformate als Änderungssatzungen durch das aufwendige interne Gesetzgebungsverfahren für Prüfungsordnungen zu bringen. Es gilt also, Prüfungen gleichzeitig anforderungsgerecht und vielfältig zu gestalten, ihre Änderungen jedoch effizient einzuhegen.
Welche genauen Themen sind aktuell schwierig im Prüfungsrecht?
Von den vielen möglichen Themen greife ich mal drei heraus:
KI, insbesondere ChatGPT, ist derzeit sehr aktuell. Hochschulen sollten sich einen Umgang mit KI in Lehre und Prüfungen überlegen.
In der letzten Zeit scheinen psychische Indikationen als Grund für Anträge auf Nachteilsausgleich zuzunehmen. Die Unsicherheit aller Beteiligten bei diesen „weniger greifbaren“ Umständen ist spürbar. Wie kann ein fairer und effektiver Umgang mit psychischen Krankheiten gelingen, der die beantragenden Studierenden ernst nimmt, gleichzeitig aber auch Entscheidungen belastbar erscheinen lässt und Chancengleichheit für die anderen Prüflinge sicherstellt?
Spätestens die Corona-Zeit hat auch den staatlichen Hochschulen die Bedeutung des virtuellen Raums für Prüfungen deutlich vor Augen geführt. Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist nach Menge und Anwendungsformen förmlich explodiert. Viele Hochschulen waren hierauf nicht vollständig vorbereitet. Nun, da die Pandemie vorüber ist, können die Lehren gezogen und die Chancen verwertet und integriert werden. Neben rein prüfungsrechtlichen Fragen, z. B. nach einer rechtssicheren virtuellen Belehrung vor der Prüfung über zulässige Hilfsmittel, spielen dabei auch angrenzende Gebiete wie methodische Fragen oder auch das prüfungsbezogene Datenschutzrecht eine Rolle.
Welche drei Tipps haben Sie für den Umgang mit dem Prüfungsrecht?
- Nehmen Sie das Prüfungsrecht ernst, verstehen Sie es nicht als bloßen Annex zum Lehrsystem ohne eigene Steuerungswirkung. Bringen Sie alle relevanten Personen an einen Tisch – vielleicht werden Sie erstaunt sein, welch unterschiedliche (Fach)Sprachen, Entscheider, Techniker, Juristen und Verwaltungspersonal sprechen.
- Achten Sie bei Prüfungen auch auf einen effektiven, aber handhabbaren Umgang mit formellen Fragestellungen. Denn die Gerichte können Prüfungsbewertungen nur bedingt überprüfen. Insofern sehen sowohl Gerichte als auch Anwälte formelle Unsauberkeiten, etwa eine fehlende/unrichtige Prüferbestellung, eine nicht rechtssichere Kommunikation im hochschulinternen IT-System oder eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung gern und schnell.
- Besuchen Sie gute Fortbildungen zum Prüfungsrecht. :-)
Wir bedanken uns vielmals für das Kurzinterview, Herr Dr. Morgenroth.